Der britische Ölmulti Shell soll konkrete Gespräche mit dem Lokalrivalen BP über eine Übernahme führen, widerspricht den Berichten aber. Ein Zusammenschluss könnte ein europäisches Schwergewicht des globalen Öl- und Gassektors schaffen. Investoren reagieren auf die Meldungen
Ein möglicher Zusammenschluss der beiden europäischen Ölriesen Shell und BP wird konkreter. Shell führt erste Gespräche mit BP über einen Kauf, berichtete das Wall Street Journal unter Berufung auf informierte Personen. Mögliche Konditionen eines Deals seien nicht bekannt und ein Zusammenschluss keinesfalls garantiert, heißt es. BP prüfe den Vorstoß sorgfältig, die Gespräche würden aber nur langsam vorankommen.
Shell reagierte und widerspricht: "Das ist weitere Marktspekulation. Es finden keine Gespräche statt", sagte ein Sprecher dem Börsendienst Bloomberg.
Shell in Lauerstellung
Obwohl Shell mehr als doppelt so viel auf die Börsenwaage bringt, wäre es eine Fusion der Superlative: BP ist an der Börse momentan rund 70 Milliarden Euro wert. Inklusive eines Aufschlags und der beachtlichen Schulden wäre es eine der bislang größten Übernahmen.
Mit dem Kauf von BP könnte Shell zu den US-Konkurrenten Exxon und Chevron aufschließen. Im Mai kamen erste Berichte auf, wonach der Konzern eine Übernahme erwäge. Allerdings wollte Shell zunächst weitere Rückgänge beim Ölpreis und dem Aktienkurs von BP abwarten. "Wie wir bereits mehrfach betont haben, konzentrieren wir uns darauf, den Wert von Shell zu steigern, indem wir uns weiterhin auf Leistung, Disziplin und Vereinfachung konzentrieren", zitierte Bloomberg heute einen Sprecher von Shell.
Strategische Wende bei BP
In den letzten Jahren entwickelten sich die BP-Papiere schwächer als die vieler Konkurrenten. In diesem Jahr initiierte der Konzern – auch auf Druck des aktivistischen Investors Elliott – einen Strategieschwenk. Investitionen in sauberere Energieformen werden zurückgefahren, fossile Brennstoffe stehen wieder im Fokus. Dazu sollen Werte für Aktionäre geschaffen und die Verschuldung reduziert werden, auch mit einem milliardenschweren Verkauf des Schmierstoffgeschäfts Castrol.
Aktien reagieren
Investoren reagierten direkt auf die Berichte des Wall Street Journal. BP-Papiere kehrten ihre zwischenzeitlichen Tagesverluste um und gewannen rund sechs Prozent. Bei Anteilsscheinen von Shell, heute lange im Plus, stehen dagegen nun rote Vorzeichen. Nach dem Dementi von Shell schmelzen die Zugewinne bei BP, die Papiere liegen noch etwa ein Prozent im Plus. Bei Shell-Anteilen haben sich die Abgaben reduziert.
Fazit
Ob wirklich erste Beratungen stattgefunden haben, lässt sich nicht sagen. Strategisch könnte der Zusammenschluss Sinn machen. Dass Shell Gespräche aufgenommen hat, scheint denkbar, allerdings hat der Aktienkurs von BP seit Mai kaum verloren.
Fragezeichen stehen hinter der Finanzierung einer solchen Übernahme sowie bei regulatorischen Freigaben. Zudem ist ein Deal keinesfalls garantiert. BP muss sich derweil fragen, ob es mit seiner neuen Strategie mehr Wert schaffen kann als bei einem möglichen Verkauf an Shell. Wer investiert ist, bleibt bei den beiden Konzernen dabei.